" Zeit sprengt alle Mauern "

2004: Internationale Atomenergiebehörde

Mit der Verleihung des Berliner Friedensuhr-Preises am 8. November 2004 an die Internationale Atomenergiebehörde würdigt das Berliner Komitee für UNESCO-Arbeit die bisherige unparteiliche Inspektionstätigkeit der Organisation, deren Rolle als Initiator und Forum für die Aushandlung internationaler Übereinkommen sowie deren Forschungs- und Informationstätigkeit zur friedlichen Nutzung der Nukleartechnologie im Kampf gegen Armut, Krankheiten und Umweltverschmutzung.

Zugleich ist mit dieser Preisverleihung die Hoffnung verbunden, dass die Staatengemeinschaft sich schnellstmöglich auf neue Verbindlichkeiten im Rahmen des weltweiten nuklearen Nichtverbreitungsregimes einigt und damit die Funktionsfähigkeit der IAEA erhöht, um ein nukleares Desaster zu verhindern.


                                                                          Übergabe der Friedensuhr:Prof. Dr. Werner Burkart, Jens Lorenz

Ziel der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) ist, entsprechend ihrer Satzung, "in der ganzen Welt den Beitrag der Atomenergie zum Frieden, zur Gesundheit und zum Wohlstand zu beschleunigen und zu steigern"; sie will dafür Sorge tragen, dass die von ihr oder unter ihrer Kontrolle geleistete Hilfe nicht zur Förderung militärischer Zwecke verwendet wird.

Der Organisation, mit Amtssitz in Wien, gehören gegenwärtig 136 Staaten an.

Dokumentation der Verleihung am 8. November 2004


André Schmitz, Chef der Senatskanzlei: Auszüge aus seiner Rede

"... Dieser Raum erlebt häufiger mal Verleihungen. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, dass wir jemals eine so ausgefallene, besondere Auszeichnung hier verliehen haben. In diesem Saal wird jeweils zum 1. Oktober des Berliner Verfassungstages der Berliner Landesorden verliehen, die Reuter-Plakette für besondere Leistungen in Wissenschaft, Forschung und Kultur unserer Stadt aber ich glaube, heute, hier, haben wir eine ganz besondere und ungewöhnliche Auszeichnung gemeinsam zu überreichen.

Und wir tun dies nicht zufällig am Vorabend des 9. November. Es gibt wohl kaum ein anderes Datum in der deutschen Geschichte, an dem sich so viele Verwerfungen aber auch so viele Hoffnungen und demokratische Entwicklungen unseres Landes vereinen, wie an diesem 9. November ...... Nicht ohne Grund also besinnen wir uns auf diesen 9. November; an diesem 9. November auch auf unsere und gerade auf unsere Vergangenheit. Wir feiern den Fall von Berliner Mauer und Stacheldraht, halten aber auch inne und gedenken der dunklen Geschichte dieses Tages ...

... Der 9. November ist zugleich auch ein Datum, das uns mahnt für die Zukunft, und es zeigt, dass es in unserer Macht liegt, Terror und Unterdrückung zu überwinden und trennende Mauern einzureißen. Und daran, denke ich mir, will auch diese 'Berliner Friedensuhr' erinnern. Es ist in der Tat eine außergewöhnliche Auszeichnung, die ebenfalls eng mit dem 9. November in Verbindung steht. Denn dieses besondere Uhren-Kunstwerk wurde genau in jener Stunde geboren, als auch für Berlin und für ganz Deutschland eine neue Zeit anbrach ...


André Schmitz

... Manche mögen dieses zeitliche Zusammentreffen für einen Zufall halten, andere sprechen der Uhr des Juweliers vielleicht sogar visionäre Kraft zu. In jedem Fall denke ich, es ist ein einzigartiges Stück Berliner Geschichte, Berliner Historie, auf das die heutige Verleihung der Friedensuhr zurückgeht ...

... Die Berliner Mauer - man kann's kaum glauben - ist bereits seit 15 Jahren Geschichte. Gott sei Dank, möge man sagen. Andere Mauern, wir kennen sie, sichtbare und unsichtbare, trennen noch heute überall auf der Welt Menschen von Freiheit und Demokratie. Und auch daran, denke ich, erinnert immer wieder die 'Berliner Friedensuhr'. Sie erinnert uns auch daran, dass einzelne einen Beitrag leisten können für Frieden, für die Wahrung von Menschenrechten, für das Aufbrechen von Gegensätzen ...

... In diesem Sinne ist die 'Berliner Friedensuhr' tatsächlich zu einer Botschafterin des Friedens geworden - weit über unsere Stadt hinaus. In den vergangenen Jahren wurde sie bereits an verschiedene Persönlichkeiten überreicht, die sich um die überwindung von Mauern verdient gemacht haben. Und seit dem vergangenen Jahr vergibt das Berliner Komitee für UNESCO-Arbeit, unterstützt durch das Land Berlin, diesen wunderbaren, ganz außergewöhnlichen Preis ...

... Die diesjährige Preisträgerin, die Internationale Atom Energie Organisation, dürfte zweifellos unumstritten sein. Die Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser wichtigen Organisation haben sich verdient gemacht im Kampf gegen die Verbreitung von atomaren Massenvernichtungswaffen, und sie verdienen unsere Anerkennung und unseren Respekt, und dies wird heute, denke ich, in unserer Veranstaltung noch einmal sehr schön zum Ausdruck gebracht ..."

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Prof. Dr. Klaus Hüfner, Vorsitzender des Berliner Komitees für UNESCO-Arbeit

"... Nach unseren Satzungsbestimmungen soll der Berliner Friedensuhr-Preis an Persönlichkeiten oder Institutionen verliehen werden, die auf der Grundlage der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 exemplarisch dazu beigetragen haben oder dazu beitragen, Mauern zwischen Rassen, Klassen, Völkern, Nationen, Kulturen, Ideologien, Konfessionen, Parteien und Menschen zu überwinden  ...

... Meine Damen und Herren, ich begrüße besonders herzlich Herrn Professor Burkart, den stellvertretenden Generaldirektor der Internationalen Atom Energie Organisation, der heute aus Wien, dem Sitz der Organisation, zu uns gekommen ist, um für die Organisation den Berliner Friedensuhr-Preis 2004 entgegenzunehmen ...

Begründung zur Verleihung:

... Wir wollten uns nicht nur auf aktuelle Anlässe beziehen, etwa auf die Überwachungs-, Verifikations- und Inspektions-Kommission der Vereinten Nationen, die im Auftrage des Sicherheitsrates und in Zusammenarbeit mit der Internationalen Atom-Energie-Organisation ihre Tätigkeit im Irak aufnahm, deren Ergebnisse die USA jedoch nicht daran hinderten, den Krieg im Irak zu beginnen. Auch ging es dem Kuratorium nicht nur um die außerordentlichen Vollmachten der Organisation hinsichtlich der Überwachungsmechanismen im Zusammenhang mit dem Atomwaffen-Sperrvertrag und dem Chemiewaffen-Übereinkommen. Das Kuratorium will vielmehr die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit auf eine ungewöhnliche Organisation mit einem breiten Spektrum von Aktivitäten lenken, die angesichts ihres Gegenstandes der friedlichen Nutzung der Atom-Energie einerseits und der Kontrolle bzw. Verhinderung des militärischen Einsatzes von Atom-Energie andererseits für das Leben der Menschheit von entscheidender Bedeutung ist. Sie, diese Organisation, in ihrem Mandat zu stärken und auch unsere Regierung für ein größeres Engagement zu gewinnen, das ist unser eigentliches Anliegen ...

... Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl erinnern uns an die verheerenden Konsequenzen eines unkontrollierten Einsatzes, dass es keine unabhängige und übergreifende Organisation mit umfassenden Vollmachten gibt, die eine möglichst vollständige Kontrolle ermöglicht ...

... Vor wenigen Tagen erst, am 1. November, hat der Generaldirektor der Internationalen Atom-Energie-Organisation, Mohamed El Baradei, der Generalversammlung der Vereinten Nationen mitgeteilt, dass der Schwarzhandel mit Nuklearmaterial besorgniserregende Ausmaße angenommen hat. Er betonte, dass die derzeitigen Kontrollmechanismen nicht ausreichen, um diese gefährlichen Aktivitäten einzudämmen. Auch seien die technischen Barrieren zur Beherrschung der Urananreicherung zur Entwicklung von Waffen erheblich geschrumpft. Besonders alarmierend sei, dass fast alle Hinweise auf die illegale Weiterverbreitung von nuklearer Technik aus den sogenannten Krisenregionen kommen ...

... Diese Meldung veranschaulicht in aller Deutlichkeit, dass alle Staaten dieser Welt aufgefordert sind, die Internationale Atom-Energie Organisation in ihrer Arbeit mit allen Kräften zu unterstützen. Hier kann es kein 'wenn und aber' geben. Hier geht es vielmehr um eine klare Verlagerung nationaler Kompetenzen, um eine vollständige und transparente Kontrolle aller Formen der Nutzung der Atom-Energie möglich zu machen. Ich danke Ihnen ..."

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Staatssekretärin Barbara Kisseler

"... Die Würdigung, von der gerade schon die Rede war, der IAEA, ist ein Symbol für Frieden, das seinesgleichen sucht und für die Überwindung von Grenzen. Dieser Preis verdankt seine besondere Bedeutung in ganz besonderem Maße auch dem Fall der Mauer, diesem in Beton gegossenen Symbol für den Kalten Krieg, das mehrere Generationen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs im Bewusstsein einer wirklich möglichen nuklearen Katastrophe aufwachsen ließ ...


Barbara Kisseler

... Wenn wir in diesen Tagen der Ereignisse des Oktobers/Novembers 1989 gedenken, die genau das Ende dieser bipolaren Weltordnung einleiteten, dann glaube ich, rührt unsere Freude auch daher, daß sich dieses grauenvolle Schreckensszenario eines militärischen Einsatzes gegen jene, die damals für die Freiheit auf die Straße gingen, eben nicht erfüllt hat.

Und wir haben allen Grund, denke ich, uns voller Dankbarkeit daran zu erinnern, dass diese weltpolitische Eskalation ausgeblieben ist, die durchaus zu einem verheerenden Einsatz nuklearer Waffen hätten führen können. Der berühmte "rote Knopf", der für viele von uns ein eigentlich lebenslang ziemlich verniedlichtes Sinnbild einer Weltkatastrophe war - dieser rote Knopf wurde nicht gedrückt.

... Wir ehren heute eine Organisation, die einen überaus wichtigen Anteil am Weltfrieden hat. Diese Internationale Atom-Energie-Organisation - mir persönlich gefällt Organisation besser als Behörde, bei Behörde schwingt speziell im Deutschen immer so ein Subtext mit, der mehrere Interpretationsmöglichkeiten hat. Diese Behörde kontrolliert und überprüft Nuklearanlagen in 189 Staaten dieser Welt auf möglichen militärischen Missbrauch. Und ihr Ziel ist es eben, wir haben es gerade auch noch einmal gehört, die Gefahr der nuklearen Proliferation einzudämmen. Die Organisation und ihre Mitarbeiter arbeiten allerdings, denke ich, durchaus im Bewusstsein ihrer eigenen Unvollkommenheit, ihrer Widersprüchlichkeit und Grenzen aber inzwischen eben wegen ihrer Arbeit auch von Kritikern geschätzten und bewunderten Beharrlichkeit und Unparteilichkeit gegenüber demokra- tischen Regierungen und Diktatoren. Von allen Staaten fordert sie unbeirrbar die nukleare Abrüstung ein, die vertraglich natürlich festgelegt ist ..."

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Ministerpräsident a.D. Lothar de Maizière

"... Die alljährliche Verleihung am 9. November in Berlin ist zunächst zufällig im eigentlichen Sinne bewusst gewählt. Dieser Tag ist in der jüngeren deutschen Geschichte ein historisches Datum - haben sich doch an diesem Tag wahrhaft umstürzende, grausame und revolutionäre Ereignisse begeben. Sie, Herr Staatssekretär Schmitz, haben uns gerade daran erinnert ...


Lothar de Maizière

... In diesem Jahr hat das Kuratorium beschlossen, den Berliner Friedensuhr-Preis erstmalig einer UN-Institution zu überreichen, die im internationalen Leben dazu geschaffen wurde, die friedliche Nutzung einer der revolutionierenden Erkenntnisse des menschlichen Genius, der Kernenergie, zu gewährleisten, die internationale Gemeinschaft im Sinne der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte zur Achtung der Grundrechte der Menschen und zum sozialen Fortschritt in einem besseren      Lebensstart in größerer Freiheit zu führen.

Die Kopplung einer derartigen Mammutaufgabe mit der, die Gefahr eines nuklearen Krieges zu bannen, ist im letzten und in diesem Jahrhundert eine Herausforderung von gigantischem Ausmaß ...

... Die in Wien ansässige Institution wurde der unverzichtbare organisatorische Anker des internationalen Nichtverbreitungsregimes für Kernwaffen, in dessen Zentrum der als Atomwaffen-Sperrvertrag bekannte Nichtverbreitungsvertrag steht und das durch regionale kernwaffenverfassungsfreie Zonen in Lateinamerika, dem Südpazifik, Afrika, Südostasien und möglicherweise bald Mittelasien, ergänzen soll. Somit wurde die IAEA zur internationalen "Atom-Polizei" und ist für die Durchsetzung der Politik der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen und darüber hinaus für den Multilateralismus in der Abrüstungspolitik unverzichtbar ...

... Eine zweite in der Satzung fixierte Aufgabe ist die Beförderung der friedlichen Nutzung der Kerntechnik. Die Fördertechnik der Tätigkeit der Wiener Einrichtung konzentriert sich auf die Grundlagenforschung sowie auf die Nutzung von radioisotopischem Material für Medizin, Agro- und sonstige Messtechnik. Die Bemühungen der Behörde zielen darauf, die Entwicklung internationaler Standards für die Sicherheit von Kernkraftwerken, den Transport und die Endlagerung radioaktiven Materials sowie für die Haftbarkeit bei Reaktorunfällen voranzutreiben ...

... Im wesentlichen auf Kosten der Europäischen Union und mit Hilfe der IAEA ist das Kernkraftwerk-Personal der meisten in Osteuropa stationierten Kernkraftwerke geschult worden. Neue Sicherheitsstandards wurden eingeführt. Die alten, aus der Sowjetunion-Zeit stammenden Nuklearkraftwerke werden nachgerüstet, elektronische Überwachungen wurden installiert und Kontrollmechanismen für radioaktives Material eingeführt ...

... Der 11. September 2001 ist auch an der IAEA nicht spurlos vorübergegangen. In kürzester Zeit erarbeitete das Sekretariat ein Aktionsprogramm, in dem die Organisation ihre Möglichkeiten auflistete, zur Verhütung eines Terrorismus mit Kernwaffen oder radiologischen Waffen beizutragen. Die IAEA schlug ihren Mitgliedstaaten die Stärkung des Übereinkommens zum Schutz vor Spaltmaterial vor, das bislang nur gilt, wenn solches Material grenzüberschreitend transportiert wird. Der Organisation schwebte die Ausdehnung auf Materialtransporte im Innern der Staaten und eine internationale Prüfung des Umgangs damit vor. Während das erste Anliegen sich realisieren ließ, sperrten sich die Nuklear-Bürokraten der Mitgliedsländer gegen jede Form von verbindlicher internationaler Prüfung ihres Umgangs mit der physischen Sicherung von Spaltmaterial im eigenen Land. Eine weitere Funktion der IAEA, als Initiator und Forum für die Aushandlung internationaler Abkommen zu wirken. Das Sekretariat besteht, gerade auf den Führungsetagen, aus weitsichtigen und energischen Personen. Sie versuchen, auf globale Ereignisse sehr schnell zu reagieren und den Blick in die Zukunft zu richten. Wo sie Lücken in den internationalen Regelungen entdecken, schlagen sie den Mitgliedsländern vor, ein neues übereinkommen zu erarbeiten und entwerfen selbst erste Textvorschläge für solche Verträge ...


Ehrende, Geehrte und Gäste bei der Verleihung der Berliner Friedensuhr


... Auf der Grundlage zweier Sicherheitsresolutionen fanden ab 1999 bzw. 2002 erneut Inspektionen     im Irak statt. Mohamed El Baradei trat stets gemeinsam mit Hans Blix, seinem Vorgänger als IAEA-    Generaldirektor, zum Rapport beim Sicherheitsrat an.

Die USA wünschten eine möglichst Irak-kritische Berichterstattung, welche die eigene Politik der militärischen Konfrontation untermauern würde. Zu diesem Zweck wurden ab Januar 2003 selektiv Geheimdienstinformationen an IAEA und UN weitergegeben; diese erwiesen sich aber in keinem Fall als zielführend. Die US-Regierung war ungehalten darüber, dass die IAEA sich nicht für ihre Politik instrumentalisieren ließ, sondern gegenüber amerikanischen Behauptungen stets dann Zweifel anmeldete, wenn dies aufgrund ihrer technischen Kompetenz geboten schien.
Das Beharren der Behörde - sie forderte mehr Zeit - auf ein unabhängiges Urteil, stieß bei der Supermacht nicht auf Sympathie. Die gegenwärtige Herrschaftselite blickt auf internationales Recht und internationale Organisationen aus einer extrem instrumentellen Perspektive - um es etwas vorsichtig auszudrücken. Wie recht die IAEA in diesem Falle hatte, zeigten die von 1000 US-amerikanischen Experten in den letzten zwei Jahren durchgeführten Untersuchungen. In den 46 Jahren ihres Bestehens hat die IAEA vielfältige Lernprozesse durchlaufen. Sie muss heute als 'reife' Organisation gelten, welche die ihr gestellten Aufgaben professionell, unparteilich und wirksam erfüllt. Sie kann daher Ansinnen, politisches Wohlverhalten für den Einen oder Anderen an den Tag zu legen, nicht nachkommen, ohne die eigene Funktion massiv zu beschädigen. Denn ohne eine grundlegende Glaubwürdigkeit bei den inspizierten Staaten wird die Akzeptanz für Inspektionssysteme sinken mit schädlichen Folgen für das Nichtverbreitungsregime.

Diese Glaubwürdigkeit kann sie jedoch zwingen, dass die IAEA demonstrativ eben nicht zur Verfügung nationaler Politikwünsche der Mächtigen steht. Dasselbe fordert übrigens aus gutem Grund ihre Satzung. Der Stab von insgesamt 2200 höchst angesehenen Mitarbeitern und Experten aus 90 Mitgliedsländern ist zu Recht stolz auf das weltweit bekannte Label "Atome für den Frieden - Agentur". Seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation haben sich die Wirkungsmöglichkeiten dieser Organisation mit derzeit 136 Mitgliedsstaaten in beträchtlichem Maße erweitert, und sie genießt hohes Ansehen. Mit den Generaldirektoren der IAEA Hans Blix und Mohamed El Baradei ist dieses hohe Ansehen der IAEA und ihr Wirken im wahrsten Sinne des Wortes personifiziert. Es ist die Anerkennung einerseits und die Herausforderung für diese Organisation im Leben der Staaten und Völker für eine friedliche Welt und eine ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie zu sorgen andererseits, die uns im Kuratorium bewogen haben, diesen Preis 'Berliner Friedensuhr' der Internationalen Atom-Energie Organisation anzutragen ..."

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Jens Lorenz, Stifter der Berliner Friedensuhr

"... Zeit eilt, Zeit flieht, Zeit heilt ... Man kennt solche Zitate aus den Klassikern und früher fand man ähnliches durchaus auf Uhren: z.B. 'tempus edax rerum'. Da steckt einige Wahrheit darin. Zum Beispiel, dass nichts - nicht Supermacht, nicht Ohnmacht - ewig ist ...


Jens Lorenz, Prof. Dr. Werner Burkart, Lothar de Maizière

... Freilich, das kurze 20. Jahrhundert verschlang solche alten Wahrheiten, sie gerieten fast in Verges- enheit. Doch 1989, als wir aus einem Kirchturm-Uhrwerk, einem ebenso alten Ziffernblatt und etwas Marmor ein zwei Tonnen gewichtiges Uhren-Kunstobjekt zusammenfügten, da war die alte Wahrheit  wieder da - zurückgeschwemmt ins zerteilte Europa, Hoffnung brandete bis an die Berliner Mauer.

Wie einen Zufallsfund am Strand hoben wir sie auf und machten daraus den Satz:
'Zeit sprengt alle Mauern'. Und genau das schrieben wir voller Zuversicht unserem Berliner Uhren- Kunstobjekt auf die Stirn ...
... Dann kommt der 9. November 1989. Für den Abend haben wir bei Lorenz zu einem Fest geladen. Pünktlich zum 9. November 1989 ist auch das Uhren-Kunstobjekt fertig - jetzt kann es den ca. 250 Gästen präsentiert werden ...

... Kurz vor 19 Uhr - 18.57 Uhr - wird das Pendel angestoßen. Da geschieht wirklich Unfassbares! Urplötzlich verbreitet sich unter den Gästen die Nachricht: Die Mauer bricht auf! ...

... Derweil stehen wir in West-Berlin auf unserer kleinen Feier wie betäubt zwischen dieser rätselhaften Uhr und einem eilig herbeigeholten TV-Gerät. Fassungslos bestaunen wir die Inschrift: 'Zeit sprengt alle Mauern' und bestaunen die unheimlichen zeitgleich hereinkommenden Bilder vom vielleicht friedlichsten Aufbruch der Weltgeschichte ...
... So wurde die Todesstunde der Berliner Mauer zur Geburtsstunde der 'Berliner Friedensuhr'. Dabei lag das Problem nicht bei der Uhr. Und es lag auch eigentlich nicht bei jener Mauer, die man die Berliner Mauer nennt, obwohl sie doch eine ganze Welt in zwei feindliche Blöcke zerteilte ...

... Das Problem lag bei den Menschen - es lag bei uns: Denn von Ost nach West hatten wir die Wahrheit vergessen, die heißt: 'Zeit sprengt alle Mauern!' Schon meinten wir, NATO und Warschauer-Pakt-Wesen, dass nur noch Krieg die Mauern zwischen uns sprengen könnte - Wettrüsten, Atomkrieg, Overkill. Je mehr wir die Ressource Zeit vergaßen, desto kriegerischer wurden wir - beiderseits der Mauer. Nachdem ich nunmehr 15 Jahre bei der 'Berliner Friedensuhr' in die Lehre gehen durfte, weiß ich: Zeit ist der Stoff, aus dem Frieden gemacht wird ...

... Die Chronik, in welcher der Chef der UN-Waffenkontrolleure seine Mission 'Irak' schildert, bestätigt dies: eine kluge, eine überlegene Politik des Friedens und der Abrüstung wird mit der Zeit gemacht, nicht gegen sie. Hans Blix' 'Mission Irak' zeigt deutlich: Sicherheitspolitik, Non-Proliferation, Abrüstungskontrolle, Waffeninspektionen - all das braucht vor allem eines: Das Zeitfenster muss weit offen gehalten werden. Das freilich erfordert mutige Menschen, gerade in Krisen. Die Männer und Frauen der Internationalen Atom-Energie Organisation gehören für mich zu diesen mutigen Menschen, und ich glaube fest: Wir können gar nichts Besseres tun als den Mitarbeitern der IAEA noch mehr Mut zu machen. Denn ich fürchte: Das 21. Jahrhundert wird gefährliche Krisen bringen. Daher wird die IAEA eine Weltbehörde des 21. Jahrhunderts werden in Sachen 'Krieg dem Kriege!' Die Hoffnungen von Millionen - oder soll ich sagen Milliarden richten sich auf diese Behörde ...

... Im März 2003 haben wir mit Bestürzung erfahren, wie wenig auch die Mutigsten vermögen, wenn andere das Zeitfenster vorschnell zuschlagen. Dann herrscht Krieg. Er herrscht im Irak bis heute. Das wäre das Schreckbild. In der 'Berliner Friedensuhr' dagegen ist der Freudenfunken des 9. November 1989 aufgehoben als DIE MAUER sich in Frieden und Freiheit auflöste - einfach, weil es an der Zeit war. Die Friedensuhr ist ein Mutmacher, ein Zeitzeichen der Hoffnung. Sie ist ein Symbol des werdenden Friedens ..."

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Prof. Dr. Werner Burkart

"... Namens der Internationalen Atom-Energie-Organisation und ihres Generaldirektors, Herr Dr. Mohammed El Baradei, ist es mir eine große Ehre, den 'Berliner Friedensuhr-Preis' entgegenzunehmen. Dr. El Baradei hat mich gebeten, Ihnen sein Bedauern auszudrücken, dass er heute nicht anwesend sein kann und seinen herzlichsten Dank für die Würdigung der Arbeit der IAEO durch das Komitee weiterzuleiten. Es ist dies in der Tat eine große Anerkennung und Bestätigung des Mandats der IAEO.


Prof. Dr. Werner Burkart

Dieses lautet, den Beitrag der Atomenergie zu befrieden, zur Gesundheit und zum Wohlstand zu steigern und dafür zu sorgen, dass die von der IAEO geleistete Hilfe nicht zur Förderung militärischer Zwecke benützt wird. Die IAEO wurde 1957 als die 'Atoms for Peace Organisation' im System der Vereinten Nationen gegründet. Fast 50 Jahre später, derzeit mit 136 Mitgliedstaaten, ist ihre Rolle heute noch so wichtig wie von ihren Gründerstaaten vor 47 Jahren vorgesehen ...

... Die IAEO ist eher bekannt für den zweiten Teil ihres Mandats, für die Tätigkeiten auf dem Gebiet der nuklearen Sicherungsmaßnahmen und der überwachung der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen. Leider sind wir in der heutigen Welt fast ständig in den Nachrichten mit diesem Teil. Die Technologie, die uns zur Verfügung steht, unsere fachliche Kompetenz für die Überprüfungen und Analysen und vor allem unsere Unabhängigkeit sind wesentlich für die Erhaltung des Vertrauens unserer Mitgliedsstaaten und die Förderung friedlicher Beziehungen. Ich bin Herrn Dr. de Maizière sehr dankbar, dass er diese wichtigen Aspekte hervorgestellt hat ...

... Ich möchte eines klarstellen: Wir sind nur ein Werkzeug, Ihr Werkzeug meine Damen und Herren, und erst ein Bekenntnis zum Multilateralismus aller, auch der stärksten, militärisch stärksten Länder, ermöglicht unser Mandat. Die Erfüllung unseres anderen Teils des Mandats trägt jedoch nachhaltiger zu einer friedlicheren Welt bei. Im Schatten der Medienberichte über die nukleare Überwachungstätigkeit hilft die IAEO ihren Mitgliedsstaaten bei der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse. Für die entwickelte Welt sind wir ein Wachhund, aber für die Mehrheit auf diesem Planeten - die Hungrigen, die Kranken - müssen wir auch Teil von Lösungen und Chancen sein. Ich habe heute Mittag in der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg von 'Rio plus 10' gesprochen, von Kofi Annans WEHAB: Water, Energy, Health, Agriculture and Biodiversity. Wir sind stolz, mit unseren Laboratorien in Beiersdorf, Wien und Monaco Lösungen in all diesen Gebieten anzubieten.
Wir entwickeln der Trockenheit widerstehende Baumwollpflanzen, pilzresistente Bananen, salztoleranten Reis. Wir bringen Strahlentherapie für Krebskranke nach Afrika. Unsere Isotopenhydrologie ermöglicht die Erfassung und eine nachhaltige Nutzung von Grundwasserreserven - wichtig hier in Berlin, das ist eine Änderung unseres ersten Mandats, wir betreiben keine aktive Förderung der Kernenergie. Unsere Mitglieder, Deutschland dabei, sind in dieser Frage gespalten. Aber wir geben Unterstützung, um sicher in die Kernenergie einzusteigen, sicher drin zu bleiben aber auch sicher auszusteigen. Und hier wird Deutschland gefordert sein. Sie müssen hoch qualifizierte Spezialisten für eine in Deutschland sterbende Technologie gewinnen oder halten, bis alle Hausaufgaben gemacht sind ...


Prof. Dr. Klaus Hüfner, Prof. Dr. Werner Burkart, Jens Lorenz

... Wir arbeiten mit vielen anderen Partnern zusammen. Ich freue mich, hier zu erwähnen: Die UNESCO ist mit der FAO und der WHO ein wichtiger Partner. Zusammen betreiben wir in Trieste das ICTP - International Centre for Theoretical Physics. Das ICTP ermöglicht Wissenschaftlern aus Afrika, Südamerika und Asien mit der ersten Welt, mit uns, mit Supercomputern, mit Zeitschriften, mit Kollegen, in regelmäßigen Kontakt zu treten...

... Exzellenzen, Mitglieder des Berliner UNESCO-Komitees, verehrte Gäste, meine Damen und Herren. Dr. El Baradei hat mich auch gebeten, Ihnen mitzuteilen, welche Bedeutung er und wir alle in Wien der Verleihung der 'Berliner Friedensuhr' beimessen. Sie ist ein mächtiges Symbol für die Hoffnungen und Bestrebungen der Menschen in aller Welt. Ihr Motto: 'Zeit sprengt alle Mauern' ist in jeder Sprache verständlich, weit über Berlin hinaus. Andererseits - Berlin ist das Mut machende positive Beispiel. Die IAEO, das internationale Mitglied der UNO-Familie, teilt diese Hoffnungen und wird sich bemühen, dieses Vertrauen in den kommenden Jahren zu rechtfertigen, in dem sie für eine friedliche Welt ohne Schranken zwischen den Völkern arbeitet ...

... Die 'Berliner Friedensuhr' wird als ständige Erinnerung an unsere Verpflichtungen dienen. Wir werden einen guten und zentralen Platz in der UNO-City Wien finden.

Ich danke Ihnen."